Fenster gehören in der Regel zum Gemeinschaftseigentum – das ist gesetzlich und gerichtsfest. Gleichwohl können Wohnungseigentümer per Beschluss die Verteilung der Kosten für Fenstersanierungen ändern. Seit der WEG-Reform und mehreren Entscheidungen des BGH aus 2024 besteht hier erheblicher Gestaltungsspielraum, zugleich aber erhöhte Anforderungen an Formulierung, Begründung und Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
Dieser Beitrag erklärt die aktuelle Rechtslage, typische Fehler in der Praxis und gibt konkrete Empfehlungen für Verwalter und Eigentümergemeinschaften.
Kernaussage vorab
- Widmung (Sondereigentum vs. Gemeinschaftseigentum) und Kostenverteilung sind rechtlich zu trennen: Fenster sind überwiegend Gemeinschaftseigentum, die Kostentragung kann jedoch unterschiedlich geregelt werden.
- § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG erlaubt es der Eigentümerversammlung, für einzelne Kosten oder bestimmte Kostenarten eine von der gesetzlichen oder vereinbarten Verteilung abweichende Regelung zu beschließen.
- Die aktuelle Rechtsprechung (u. a. BGH 2024) bestätigt diesen Spielraum, verlangt jedoch Gleichbehandlung, Maßstabskontinuität und eine sorgfältige Begründung des Beschlusses.
Warum es in der Praxis häufig zu Fehlern kommt
1. Fehlannahmen zur Eigentumszuordnung
- Irrtum: „Wer in seiner Wohnung etwas hat, bezahlt auch die Sanierung.“
- Tatsache: Außenliegende Fensterrahmen, Verglasung und zur Fassade gehörende Bauteile sind zwingend Gemeinschaftseigentum (§ 5 WEG) – auch wenn die Teilungserklärung etwas anderes suggeriert.
2. Vermischung von Eigentum und Kostenregelung
- Häufig fehlt die saubere Trennung von rechtlicher Widmung und Kostenregelung.
- Folge: Falsche Informationen durch Verwalter, fehlerhafte Einladungstexte und angreifbare Beschlüsse.
Rechtsgrundlagen kompakt erklärt
§ 5 WEG – Gemeinschafts- oder Sondereigentum?
- Fenster, Rahmen und Verglasung sind regelmäßig Teil des Gemeinschaftseigentums.
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG – Abweichende Kostenverteilung möglich
- Eigentümer können beschließen, dass einzelne Kosten anders verteilt werden als gesetzlich vorgesehen.
- Voraussetzung: sachliche Begründung, Gleichbehandlung, keine willkürliche Benachteiligung.
Hinweis: Gesetzestexte und Kurzkommentare sind z. B. über dejure.org oder juris abrufbar.
Neue BGH-Rechtsprechung 2024: Was gilt jetzt?
Entscheidung vom März 2024
- Die Eigentümergemeinschaft darf abweichende Kostenverteilungen beschließen – auch wenn erstmals Eigentümer belastet werden, die bisher befreit waren.
- Aber: Maßstabskontinuität und Gleichbehandlung müssen gewahrt bleiben.
Weitere Urteile und Fachkommentare
- Beiträge in Haufe, IWW und DNotI betonen die neue Flexibilität – aber auch die Pflicht zur klaren Beschlussformulierung und sorgfältigen Ankündigung.
- Urteile z. B. des LG München I fordern belastbare Vorbereitungsunterlagen (z. B. Kostenschätzungen) bei größeren Maßnahmen.
Was Hausverwalter jetzt konkret beachten sollten
1. Kommunikation und Transparenz
Eigentümer klar und getrennt informieren über:
- Eigentumszuordnung: Fenster = Gemeinschaftseigentum
- Kostenregelung: Soll eine Änderung beschlossen werden? Wenn ja, warum?
2. Einladungstext und Tagesordnung
- Die beabsichtigte Regelung muss wörtlich und konkret in der Einladung formuliert sein.
- Vermeiden Sie unbestimmte Phrasen – sie sind ein Einfallstor für Anfechtungen.
3. Begründung und Dokumentation
Legen Sie offen:
- technische Notwendigkeit
- wirtschaftliche Vorteile (z. B. Energieeinsparung)
- Schutz der Instandhaltungsrücklage
- bisherige Kostenpraxis und Maßstabskontinuität
4. Übergangs- und Stufenregelungen sinnvoll nutzen
Beispiel:
- Erstmaliger Austausch durch die WEG
- Künftige Erneuerungen durch Sondereigentümer
Solche Modelle gelten als rechtlich robuster und helfen, Gleichbehandlung zu wahren.
5. Unterstützung durch professionelle Hausverwaltung
- Eine erfahrene Verwaltung wie LPE Immobilien begleitet Eigentümergemeinschaften auf Wunsch durch den gesamten Prozess – von der ersten Prüfung der Teilungserklärung bis zur juristisch sauberen Beschlussformulierung und Umsetzung.
Formulierungsvorschläge für Beschlüsse
Nicht empfohlen:
„Zukünftig trägt der jeweilige Sondereigentümer die Kosten für alle Fensteraustausche in seinem Bereich.“
- Problematisch wegen möglicher Ungleichbehandlung und fehlender Übergangsregelung.
Empfohlene Formulierung:
„Die erstmalige Sanierung sämtlicher Fenster erfolgt auf Kosten der Gemeinschaft. Künftige, individuell veranlasste Austauschmaßnahmen sind vom jeweiligen Sondereigentümer zu tragen. Die einheitliche Gestaltung (Material, Farbe, Maße) sowie die technischen Regeln sind einzuhalten.“
- Diese Variante wurde von Fachanwälten mehrfach als verteidigungsfähig eingeschätzt.
Ablaufempfehlung für eine rechtssichere Umsetzung
- Prüfung von Teilungserklärung und Beschlusssammlung: Was gilt aktuell? Wer zahlte in der Vergangenheit?
- Kostenschätzung / Angebote: Mindestens zwei Vergleichsangebote einholen.
- Zwei Varianten vorbereiten: (A) vollständige Abwälzung auf SE, (B) abgestuftes Modell. Beide mit Kurzbegründung.
- Abstimmung mit Betroffenen: Vorab-Dialog mit kritischen Eigentümern oder deren Anwälten.
- Beschlussfassung & Dokumentation: Rechtssicher protokollieren und in die Beschlusssammlung aufnehmen. Hinweise zur Anfechtungsfrist geben.
Typische Argumente – Pro und Contra
Vorteile einer abweichenden Kostenverteilung:
- Rücklagen werden geschont
- Individuelle Modernisierungen werden ermöglicht
- Sonderumlagen können vermieden werden
Mögliche Einwände und Risiken:
- Ungleichbehandlung bei schlechter Formulierung
- Anfechtungsrisiko bei fehlender Begründung
- Rückabwicklungsrisiken bei gerichtlicher Aufhebung
Fazit: Gestaltungsspielraum ja – aber mit Augenmaß
Fenster sind fast immer Gemeinschaftseigentum. Aber die Kostenverteilung kann durch die Eigentümergemeinschaft abweichend geregelt werden – wenn dies gut vorbereitet, transparent begründet und rechtssicher beschlossen wird.
Seit der Reform 2020 und insbesondere mit der BGH-Entscheidung von 2024 haben Eigentümer mehr Spielraum – zugleich aber auch mehr Verantwortung. Wer klare Formulierungen, eine gute Vorbereitung und nachvollziehbare Übergangsregelungen nutzt, senkt das Risiko von Anfechtungen erheblich.
Weiterführende Quellen und Materialien
- § 5 WEG – Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums (Gesetzestext)
- § 16 WEG – Nutzungen und Kosten (Gesetzestext und Kommentierung)
- BGH-Urteile zu Maßstabskontinuität und Kostenverteilung (u. a. März 2024)
- Kommentierungen: Haufe, DNotI, IWW
- LG München I – Urteile zur Einladungsformulierung und Bestimmtheit
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