Die Abnahme von Gemeinschaftseigentum – Ein umfassender Leitfaden für Käufer und Bauträger

Verfasst von

Lucas Peter Ellmer

Geschäftsführer von LPE Immobilien

Heller, leerer Wohnraum in einem Neubau mit großen Fenstern und Laminatboden – sinnbildlich für die Abnahme von Gemeinschaftseigentum

Inhalt

Hinweis: Dieser Beitrag basiert auf dem „BFW Praxisleitfaden Abnahme Gemeinschaftseigentum“, der vom BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. veröffentlicht wurde.

Warum ist die Abnahme des Gemeinschaftseigentums so wichtig?

Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist ein zentrales Thema bei Neubauprojekten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Sie markiert nicht nur den Übergang von der Bauphase in die Nutzung, sondern löst zahlreiche rechtliche Folgen aus: Beginn der Gewährleistungsfristen, Beweislastumkehr bei Mängeln, Übergang der Gefahrtragung und vieles mehr. Gerade weil die Abnahme so viele Konsequenzen hat, ist ihre rechtssichere Durchführung für alle Beteiligten von enormer Bedeutung.
In der Vergangenheit wurden Abnahmen häufig pauschal oder konkludent erklärt, etwa im Rahmen der Sondereigentumsabnahme. Die Rechtsprechung hat jedoch klargestellt, dass eine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums eigenständig und unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen muss – insbesondere muss jedem Käufer die Möglichkeit zur Besichtigung und Prüfung eingeräumt werden.

Rechtliche Grundlagen und typische Probleme

Die Herstellung eines Bauwerks unterliegt dem Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB). Die Abnahme ist eine Hauptleistungspflicht des Käufers und Voraussetzung für den Beginn der fünfjährigen Gewährleistungsfrist (§ 634a BGB). In Kaufverträgen werden meist Formularklauseln zur Abnahme verwendet, die den strengen Anforderungen der §§ 305 ff. BGB genügen müssen. Jede Benachteiligung des Erwerbers führt zur Unwirksamkeit der Klausel.
Besonders problematisch sind Fälle, in denen die Abnahme von Gemeinschaftseigentum durch Vollmacht, etwa an den Verwalter oder einen Sachverständigen, erklärt werden soll. Hier bestehen hohe Anforderungen an Transparenz und Widerruflichkeit der Vollmacht. Die Rechtsprechung ist zurückhaltend, wenn es um eine formularmäßige Übertragung der Abnahme auf Dritte geht. Der Käufer muss stets die Möglichkeit haben, die Abnahme selbst zu erklären oder zu verweigern.

Der Ablauf der Abnahme – Schritt für Schritt

1. Vorbereitung und Einladung

Die Abnahme beginnt mit einer Aufforderung an alle Käufer, das Gemeinschaftseigentum zu besichtigen – mit Nennung eines einheitlichen Termins und eines Ersatztermins. Diese Einladung erfolgt per Einwurfeinschreiben, um einen Nachweis zu haben. Das Einladungsschreiben muss folgende Punkte enthalten:

  • Aufforderung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums (GE) innerhalb einer „angemessenen klaren Frist“ (z.B. 4,5 Wochen, mit festem Datum)
  • Hinweis auf die Abnahmepflicht
  • Nennung eines einheitlichen Begehungstermins in 14 Tagen sowie des Ersatztermins (weitere 14 Tage) – jeweils zur Begehung/Besichtigung, ggf. mit Sachverständigen
  • Hinweis, dass gerügte Mängel im Protokoll des Sachverständigen festgehalten werden
  • Der Bauträger behält sich die Überprüfung der Mängelrügen vor.

2. Durchführung der Begehung

Bei großen Wohnanlagen wird die Begehung meist gemeinsam mit dem Bauträger, der Bauleitung und ggf. einem Sachverständigen durchgeführt. Es werden Protokolle und Anwesenheitslisten geführt. Käufer, die nicht teilnehmen können, erhalten einen Ersatztermin. Die Abnahmeerklärung kann unter Vorbehalt der im Protokoll festgehaltenen Mängel abgegeben werden.

3. Abgabe der Abnahmeerklärung

Jeder Käufer ist aufzufordern, die Abnahme schriftlich zu erklären – entweder vorbehaltlos, unter Vorbehalt der Mängelbeseitigung oder ausdrücklich verweigernd. Die Erklärungen sind mindestens zehn Jahre aufzubewahren. Bei fehlender Abgabe kann der Bauträger den Käufer auf Abgabe verklagen. Die Gewährleistungsfrist beginnt erst mit der letzten wirksamen Abnahme.

Besondere Fallgestaltungen

Abnahme mit und ohne Sachverständigen

Der Leitfaden unterscheidet zwischen dem Idealfall mit und ohne Sachverständigen. Bei Einbindung eines Sachverständigen wird dessen Gutachten zur Grundlage der Mängelrüge und der Bauträger behält sich die Überprüfung vor. Der Sachverständige prüft das „Bausoll“ und fertigt ein Protokoll an. Ohne Sachverständigen übernimmt dies die Projektleitung/Bauherrenvertretung.

Nachzügler und Altfälle

Ein besonderes Augenmerk gilt dem sogenannten „Nachzügler“ – also dem Käufer, der nach der Abnahme des Gemeinschaftseigentums erwirbt. Für ihn darf die Gewährleistungsfrist nicht verkürzt werden. Er kann Ansprüche aus Gewährleistung noch bis zu fünf Jahre nach Abnahme seines Sondereigentums geltend machen, selbst wenn das Gemeinschaftseigentum schon länger fertiggestellt ist.

Stillschweigende und nachgeholte Abnahme

In Altfällen kann eine Abnahme auch stillschweigend erfolgen, etwa durch längere Nutzung ohne Mängelrüge. Die nachträgliche Abnahme ist möglich, sollte aber möglichst durch individuelle Erklärung jedes Käufers erfolgen. Mehrheitsbeschlüsse in der WEG-Versammlung sind rechtlich umstritten und können die Gewährleistungsfrist verkürzen.

Worauf Käufer achten sollten – und was Bauträger nicht dürfen

Käufer sollten unbedingt darauf achten:

  • Sie müssen die reale Möglichkeit haben, das Gemeinschaftseigentum zu besichtigen. Ein Betretungsverbot bis kurz vor der Abnahme ist unzulässig, wenn danach keine ausreichende Zeit zur Prüfung bleibt.
  • Die Frist zur Abnahme muss angemessen und klar bestimmt sein.
  • Es dürfen keine Klauseln verwendet werden, die eine unwiderrufliche Vollmacht zur Abnahme an Dritte (z.B. Verwalter, Sachverständige) übertragen. Jede Vollmacht muss widerruflich sein!
  • Die Abnahme darf nicht durch die Gemeinschaft (WEG) per Beschluss erfolgen, wenn dies nicht ausdrücklich in der Teilungserklärung geregelt ist.
  • Die Abnahmeerklärung darf nicht „erpresst“ werden, etwa durch die Drohung, sonst keine Schlüssel zu übergeben oder andere Rechte zu verweigern.
  • Mängel, die bei der Abnahme festgestellt werden, müssen im Protokoll dokumentiert und können vorbehalten werden. Käufer sollten keine vorbehaltlose Abnahme erklären, wenn Mängel bestehen.

Was Bauträger nicht dürfen:

  • Sie dürfen nicht verlangen, dass Käufer das Gemeinschaftseigentum abnehmen, bevor es fertiggestellt ist oder wesentliche Mängel bestehen.
  • Sie dürfen keine Fristen setzen, die unangemessen kurz sind.
  • Sie dürfen keine unwiderruflichen Vollmachten fordern oder vorformulierte Erklärungen verwenden, die den Käufer an Rechte berauben.
  • Sie dürfen keine Schlüsselübergabe oder andere Leistungen an eine vorbehaltlose Abnahme knüpfen.
  • Sie dürfen Mängelrügen nicht einfach zurückweisen, sondern müssen diese prüfen und ggf. beseitigen.

Fazit: Sorgfalt und Transparenz sind entscheidend

Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist ein komplexer rechtlicher Vorgang mit weitreichenden Folgen. Eine sorgfältige, transparente und dokumentierte Durchführung schützt alle Beteiligten vor späteren Streitigkeiten. Käufer sollten auf ihr Recht zur Besichtigung bestehen und Abnahmeerklärungen nie vorschnell abgeben. Bauträger und Verwalter wiederum sind gut beraten, die rechtlichen Vorgaben und die aktuellen Leitlinien des BFW strikt zu beachten.
Weiterführende Informationen und Musterschreiben finden Sie in der vollständigen Publikation des BFW:
Hinweis: Dieser Blog-Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und ersetzt nicht die individuelle Prüfung eines Fachanwalts. Für die Verwendung von Musterschreiben und Formulierungen wird auf die Originalpublikation verwiesen.

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