Warum ist die Abnahme des Gemeinschaftseigentums so wichtig?
Rechtliche Grundlagen und typische Probleme
Der Ablauf der Abnahme – Schritt für Schritt
1. Vorbereitung und Einladung
Die Abnahme beginnt mit einer Aufforderung an alle Käufer, das Gemeinschaftseigentum zu besichtigen – mit Nennung eines einheitlichen Termins und eines Ersatztermins. Diese Einladung erfolgt per Einwurfeinschreiben, um einen Nachweis zu haben. Das Einladungsschreiben muss folgende Punkte enthalten:
- Aufforderung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums (GE) innerhalb einer „angemessenen klaren Frist“ (z.B. 4,5 Wochen, mit festem Datum)
- Hinweis auf die Abnahmepflicht
- Nennung eines einheitlichen Begehungstermins in 14 Tagen sowie des Ersatztermins (weitere 14 Tage) – jeweils zur Begehung/Besichtigung, ggf. mit Sachverständigen
- Hinweis, dass gerügte Mängel im Protokoll des Sachverständigen festgehalten werden
- Der Bauträger behält sich die Überprüfung der Mängelrügen vor.
2. Durchführung der Begehung
Bei großen Wohnanlagen wird die Begehung meist gemeinsam mit dem Bauträger, der Bauleitung und ggf. einem Sachverständigen durchgeführt. Es werden Protokolle und Anwesenheitslisten geführt. Käufer, die nicht teilnehmen können, erhalten einen Ersatztermin. Die Abnahmeerklärung kann unter Vorbehalt der im Protokoll festgehaltenen Mängel abgegeben werden.
3. Abgabe der Abnahmeerklärung
Jeder Käufer ist aufzufordern, die Abnahme schriftlich zu erklären – entweder vorbehaltlos, unter Vorbehalt der Mängelbeseitigung oder ausdrücklich verweigernd. Die Erklärungen sind mindestens zehn Jahre aufzubewahren. Bei fehlender Abgabe kann der Bauträger den Käufer auf Abgabe verklagen. Die Gewährleistungsfrist beginnt erst mit der letzten wirksamen Abnahme.
Besondere Fallgestaltungen
Abnahme mit und ohne Sachverständigen
Der Leitfaden unterscheidet zwischen dem Idealfall mit und ohne Sachverständigen. Bei Einbindung eines Sachverständigen wird dessen Gutachten zur Grundlage der Mängelrüge und der Bauträger behält sich die Überprüfung vor. Der Sachverständige prüft das „Bausoll“ und fertigt ein Protokoll an. Ohne Sachverständigen übernimmt dies die Projektleitung/Bauherrenvertretung.
Nachzügler und Altfälle
Ein besonderes Augenmerk gilt dem sogenannten „Nachzügler“ – also dem Käufer, der nach der Abnahme des Gemeinschaftseigentums erwirbt. Für ihn darf die Gewährleistungsfrist nicht verkürzt werden. Er kann Ansprüche aus Gewährleistung noch bis zu fünf Jahre nach Abnahme seines Sondereigentums geltend machen, selbst wenn das Gemeinschaftseigentum schon länger fertiggestellt ist.
Stillschweigende und nachgeholte Abnahme
In Altfällen kann eine Abnahme auch stillschweigend erfolgen, etwa durch längere Nutzung ohne Mängelrüge. Die nachträgliche Abnahme ist möglich, sollte aber möglichst durch individuelle Erklärung jedes Käufers erfolgen. Mehrheitsbeschlüsse in der WEG-Versammlung sind rechtlich umstritten und können die Gewährleistungsfrist verkürzen.
Worauf Käufer achten sollten – und was Bauträger nicht dürfen
Käufer sollten unbedingt darauf achten:
- Sie müssen die reale Möglichkeit haben, das Gemeinschaftseigentum zu besichtigen. Ein Betretungsverbot bis kurz vor der Abnahme ist unzulässig, wenn danach keine ausreichende Zeit zur Prüfung bleibt.
- Die Frist zur Abnahme muss angemessen und klar bestimmt sein.
- Es dürfen keine Klauseln verwendet werden, die eine unwiderrufliche Vollmacht zur Abnahme an Dritte (z.B. Verwalter, Sachverständige) übertragen. Jede Vollmacht muss widerruflich sein!
- Die Abnahme darf nicht durch die Gemeinschaft (WEG) per Beschluss erfolgen, wenn dies nicht ausdrücklich in der Teilungserklärung geregelt ist.
- Die Abnahmeerklärung darf nicht „erpresst“ werden, etwa durch die Drohung, sonst keine Schlüssel zu übergeben oder andere Rechte zu verweigern.
- Mängel, die bei der Abnahme festgestellt werden, müssen im Protokoll dokumentiert und können vorbehalten werden. Käufer sollten keine vorbehaltlose Abnahme erklären, wenn Mängel bestehen.
Was Bauträger nicht dürfen:
- Sie dürfen nicht verlangen, dass Käufer das Gemeinschaftseigentum abnehmen, bevor es fertiggestellt ist oder wesentliche Mängel bestehen.
- Sie dürfen keine Fristen setzen, die unangemessen kurz sind.
- Sie dürfen keine unwiderruflichen Vollmachten fordern oder vorformulierte Erklärungen verwenden, die den Käufer an Rechte berauben.
- Sie dürfen keine Schlüsselübergabe oder andere Leistungen an eine vorbehaltlose Abnahme knüpfen.
- Sie dürfen Mängelrügen nicht einfach zurückweisen, sondern müssen diese prüfen und ggf. beseitigen.